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Laptop und Schraubenschlüssel – vier Jahre DIAL-Neubau
Apps auf dem Smartphone steuern je nach Bedürfnis automatisch die Raumtemperatur und das Licht und Smart Grids sichern die Energieversorgung in unseren Häusern. Was vor ein paar Jahren noch wie Zukunftsmusik klang wird immer mehr zur Realität. Der Trend geht zum intelligenten Gebäude. Doch was macht ein Smart Building aus? Anfang 2013 ist DIAL in einen intelligenten Neubau gezogen. Die Architektur und das technische Gesamtkonzept des intelligenten Gebäudes wurden im eigenen Hause gestaltet. Vier Jahre sind seit dem Bezug vergangen – Zeit, um eine erste Bilanz zu ziehen. Dietmar A. Half, Teamleiter Smart Building Design bei DIAL, berichtet über seine Erfahrungen mit der Konzeption und dem Management eines intelligenten Gebäudes und gibt einen Ausblick zu Trends in der Gebäudeautomation.

Was ist das Besondere am DIAL-Gebäude?
Die einfache Anwendung von einzelnen, voneinander losgelösten smarten Systemen macht noch lange kein intelligentes Gebäude aus. Das Besondere beim DIAL-Gebäude ist, das alles miteinander vernetzt ist und von Beginn an auch so geplant wurde. Architektur, technische Ausrüstung und Software sind aufeinander abgestimmt und als ein technisches Gesamtkonzept geplant.
Die unterschiedlichen Kommunikationssysteme bei uns im Haus sind intelligent miteinander vernetzt und bilden in ihrer Summe das zentrale Nervensystem des softwaregesteuerten Gebäudes.
Durch die intelligente Vernetzung gelang es die in der Projektanalyse spezifizierten Bedürfnisse nach Energieeffizienz, Sicherheit und Komfort zu erfüllen. Damit die Anwendungen bestmöglich zu uns passen, haben wir die Betriebssoftware selbst programmiert und passgenau zugeschnitten.
Welche Software-Lösungen wurden speziell genutzt?
Beispielsweise werden für die Automatisierung der Raumfunktion frei programmierbare Automationssysteme eingesetzt, um eine flexible Raumnutzung zu ermöglichen.
Die Raumcontroller kommunizieren via KNXnet/IP über das Backbone miteinander, so konnte die IT-Infrastruktur für die intelligente Vernetzung der Automationseinrichtungen genutzt werden. Um einen störungsfreien Betrieb der Gebäudeautomationskommunikation und der EDV-Kommunikation zu ermöglichen, wurde ein sogenanntes VLAN (Virtual Local Area Network) zur logischen Trennung dieser Systeme errichtet. Der modulare Aufbau der Raumcontroller ermöglichte darüber hinaus eine beliebige Skalierung des Systems, indem weitere Klemmen hinzugefügt werden können. So wurde beispielweise für die indirekte Beleuchtung der einzelnen Büroräume DALI-Klemmen eingesetzt. DALI steht für Digital Addressable Lighting Interface und ist ein Kommunikationssystem, welches ausschließlich für das Gewerk der Beleuchtungstechnik entwickelt wurde. Zu den Stärken von DALI gehört neben der Einzel- und Gruppenansteuerung und der Statusabfrage von Leuchtmitteln auch die Benutzerfreundlichkeit. Neben den DALI-Klemmen besitzen die Raumcontroller MP-Bus Klemmen zur Ansteuerung der Volumenstromregler in den einzelnen Büroräumen. Die Volumenstromregler der Lüftungsanlage schließen automatisch wenn ein Mitarbeiter ein Fenster öffnet. Für den Informationsaustausch mit der Lüftungsanlage auf dem Dach wurde eine LON-Klemme eingesetzt. Gemessen wird die Raumtemperatur in den einzelnen Büro- und Seminarräumen von KNX-fähigen Temperatursensoren. Jeder Mitarbeiter kann die Raumtemperatur individuell, mittels einer App auf dem PC oder auf dem Smartphone, vornehmen. Die Beleuchtung wird über Präsenz und Bewegungsmelder gesteuert – klassische Lichtschalter gibt es bei uns im Gebäude nicht.
Konnten alle Attribute aus der Planung auch in der Praxis umgesetzt werden?
Wie so oft gab es auch bei unserem Bauvorhaben festgelegte Kostenvorgaben. Teilweise musste in diesem Zusammenhang zwischen baulichen Maßnahmen und technischen Lösungen entschieden werden. Rückblickend würde ich nach der heutigen Erfahrung noch mehr Messgeräte und Messstellen in das Gebäude einbinden. Je mehr vernetzt ist, umso mehr Daten können genutzt werden, um verschiedene Nutzerszenarien zu identifizieren. Wie bei jedem Gebäude gilt auch bei einem Smart Building: Man lernt dazu, das Gebäude lebt durch die Nutzung.
Deswegen sollte sich der Bauherr eines intelligenten Gebäudes immer die Frage stellen: Wer kann die Änderungen im Gebäude vornehmen und sind diese wirtschaftlich zu tragen? Denn die Intelligenz eines smarten Gebäudes wird erst durch hochqualifizierte Spezialisten zum Leben erweckt. Deswegen ist eine gute Dokumentation der Betriebslogik wichtig, um diese für Spezialisten, im Falle einer Änderung, möglichst barrierefrei zugänglich zu machen.
Welche Herausforderungen gibt es beim Management eines intelligenten Gebäudes?
Das Technische Gebäudemanagement steuert viel automatisch. Mein Team bekommt ein Signal, wenn etwas nicht stimmen sollte. Das erleichtert die Verwaltung natürlich schon enorm.
Allerdings müssen die einzelnen Gewerke im Gebäude auch immer richtig gemanaged und gewartet werden – sonst haben diese Anwendungen oft mehr Nachteile als Vorteile.
Um ein Beispiel zu nennen: Die Garantie eines Neuwagens gilt nur dann, wenn der Wagen turnusmäßig gewartet wird. Dazu muss das Fahrzeug in die Werkstatt und wird über entsprechende Diagnosegeräte analysiert und gewartet. Schraubendreher und Laptop wirken dabei konkurrenzlos und selbstverständlich zusammen. Auch im Bausektor sind Wartungsverträge in vielen Gewerken Basis für Garantieansprüche. Ein Dachdecker wird nur Garantie für ein Flachdach übernehmen, wenn er mindestens einmal im Jahr das Dach wartet. Was für einen – aus technologischer Sicht – eher einfachen Gebäudeteil gilt, ist unabdingbar für die Aufrechterhaltung der Betriebslogik eines intelligenten Gebäudes. Bei uns wird diese Aufgabe im Rahmen des technischen Facility Management (FM) von hochqualifizierten Mitarbeitern durchgeführt, die mit einem herkömmlichen Hausmeister so wenig gemeinsam haben, wie ein Computer mit einem Taschenrechner. Nicht jeder Betreiber ist in der glücklichen Lage, solches Personal vorhalten zu können. In diesem Fall ist die kontinuierliche Betreuung und Wartung der Betriebslogik durch externe Dienstleister unumgänglich und durch geeignete Wartungsverträge sicherzustellen.
Können Sie einen Ausblick geben, wo der Trend in der Baubranche hin geht?
Die Grenzen zwischen Architektur und Gebäudetechnik sind mittlerweile fließend. Die Software bietet für den Nutzer immer mehr Mehrwert. Die einzelnen Subsysteme in der Gebäudetechnik werden nicht nur immer vielfältiger und komplexer, sondern sind zunehmend untereinander vernetzt. In Hinblick auf die steigenden Anforderungen müssen sich einerseits klassische Generalisten wie Architekten breiter aufstellen und andererseits werden zukünftig immer mehr Spezialisten benötigt. Ich könnte mir vorstellen, dass daraus zukünftig auch neue Berufsfelder entstehen. Denn eines ist sicher: der Trend zur Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten.